Museum

Die Sammlung des Wiener Museums des Blindenwesens reicht bis zum Beginn der Blindenbildung in Wien zurück.

Johann Wilhelm Klein, der im Jahre 1804 das k. k. Blindenerziehungsinstitut in Wien begründete, legte bereits in den Dreißigerjahren das Museum an.

Das Museum gibt in verschiedenen Abteilungen einen Überblick über die Entwicklung der Lehr- und Lernbehelfe für den Blindenunterricht – es reicht von Musik, Mathematik, Geographie bis Biologie. Unter anderem sind folgende historische Unterrichtsbehelfe zu besichtigen: Notenapparate, Tastuhren, Zeichenapparate für den Geometrieunterricht, Landkarten, Globen, Tiermodelle, …

Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung der verschiedenen Schriften für Blinde bis zur eigentlichen „Blindenschrift“, die von Louis Braille 1825 entwickelt wurde. Bevor sich die Schrift Brailles durchsetzen konnte, wurde mit unterschiedlichsten Methoden und Schriftarten versucht eine schriftliche Kommunikation zwischen Blinden und Sehenden zu ermöglichen. Die verschiedenen Formen von Hochschriften reichten von Buchstaben über unterschiedliche Reliefschriften bis zu einzelnen ausgeschnittenen Buchstaben, die aufgeklebt und ertastet werden konnten. Der Wiener Mechaniker Carl Ludwig Müller entwickelte eine tastbare „Masseschrift“ 1806. Dies führte zur „erstmaligen“ Erfindung der Füllfeder.

Neben der Entwicklung der Schrift für Blinde präsentiert das Museum auch die Entwicklung von Schreibmaschinen für Blinde und des Buchdruckes von Blindenbüchern in „Hochdruck“.

Die bedeutende grafische Sammlung des Museums umfasst rund 1700 Blätter zum Thema Blindheit. Die ersten Bilder waren Schenkungen, die Johann Wilhelm Klein für sein Institut erhielt. In vielen Bildern wird die soziale Stellung des Blinden veranschaulicht. Darstellungen reichen vom Blinden im Altertum, im Orient bis zu Blindenberufen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Blinde wurden im 19. Jahrhundert vor allem in handwerklichen Berufen ausgebildet. Dem Handwerk, das auch heute noch seine Berechtigung hat, ist ein eigener Raum gewidmet.

Das Museum des Blindenwesens ist eines der reichhaltigsten dieser Art und genießt internationalen Ruf.

Johann Wilhelm Klein (1765 – 1848)

Johann Wilhelm Klein wurde am 11. April 1765 in Alerheim bei Nördlingen, Deutschland geboren.

Nach den Jugendjahren im Elternhaus besuchte er das Gymnasium in Stuttgart und später studierte er Jus an der Hohen Karls-Schule.

Er wurde dann Sekretär beim fürstlichen Oberamt in Alerheim / Harburg. Die im Gefolge der Revolutionskriege ausbrechenden Wirren in seiner Heimat, seine gesundheitlichen Schwierigkeiten, seine Unzufriedenheit mit seinen Aufgaben und Pflichten als Harburger Oberamtspfleger bewogen ihn 1799 nach Wien zu reisen. Es war ein Aufbruch ins Ungewisse, aber die liberalen und fortschrittlichen Verhältnisse in Österreich unter Josef II. mögen ihn angezogen haben.

Über seine ersten 4 Jahre in Wien ist wenig bekannt. Wahrscheinlich lebte er in sehr ärmlichen wirtschaftlichen Verhältnissen und bestritt seinen Unterhalt zumindest teilweise als Hauslehrer. Ehrenamtlich wurde er als Armenbezirksdirektor einberufen und so hatte J. W. Klein mit vielen Blinden zu tun, die einen großen Anteil der Armen ausmachten.

J. W. Klein begründete 1804 das erste Blindeninstitut im deutschsprachigen Raum mit seinem ersten Schüler Jakob Braun aus Bruck/Leitha, den er zu sich in seine Privatwohnung 1030 Wien, Landstraße Nr. 34 nahm.

Seine Lebensaufgabe war von nun an die Sorge um die Blinden, ihre Schulbildung, Erziehung und Berufsvorbereitung um sie zu möglichst vollwertigen Gliedern der Arbeitswelt und der menschlichen Gesellschaft zu machen. So richtete er 1826 in Wien-Josefstadt eine „Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt für erwachsene Blinde“ ein.

Erwähnenswert ist auch noch seine schriftstellerische Tätigkeit. So schrieb er unter anderem 1819 ein „Lehrbuch zum Unterrichte Blinder“, ein Wegweiser für Generationen von Blindenlehrern.

Am 12. Mai 1848 starb J. W. Klein nach einem erfüllten und außerordentlich erfolgreichen Leben in Wien und wurde am Wiener Zentralfriedhof begraben.

Das Wiener Blindeninstitut

Der Anfang des Instituts war bescheiden.

Der Anfang des Institutes war bescheiden. 1804 nahm Johann Wilhelm Klein den blinden Knaben Jacob Braun aus Bruck/Leitha als Schüler zu sich in seine Privatwohnung im dritten Wiener Gemeindebezirk, Landstraße 34. Ein Jahr nach Aufnahme seines ersten Schülers konnte Klein bereits eine erste öffentliche Prüfung wagen, die auch ein großer Erfolg wurde. Nachdem es immer mehr Schüler gab, konnte die Schule privat, nur durch Spenden erhalten, auf Dauer nicht geführt werden. Klein wandte sich an den damaligen Kaiser Franz I. von Österreich mit dem Ersuchen um staatliche Hilfe. Diese wurde endlich am 8. November 1808 gewährt. Das Blindeninstitut wurde von nun an als Privatschule auf Kosten des Staates geführt.

1816 wurde das Institut in den Rang einer Staatsanstalt erhoben und führte seither den Titel „kaiserlich-königliches Blindenerziehungsinstitut“.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Institut nur mehr „Blindenerziehungsinstitut“ genannt. Als im Jahre 1938 der Nationalsozialismus seine Gewaltherrschaft auch in Österreich errichtete, wurde das Institut in eine „städtische Blindenschule mit Heim für Jungen und Mädchen“ verwandelt.

Im Jahre 1949 wurde das Institut dem Bund zugeordnet und führt seither den Titel „Bundes-Blindenerziehungsinstitut“.

Das Institut wechselte mehrmals seinen Standort.

  • 1809 nach der Oberen Neustift, Kaiserstraße Nr. 152
  • 1810 nach Gumpendorf, Große Steingasse Nr. 182
  • 1829 in die Josefstadt, Brunngasse Nr. 188
    (ein Haus in der heutigen Blindengasse)
  • 1898 in den zweiten Wiener Gemeindebezirk, Wittelsbachstraße 5, wo es sich bis heute befindet, nur unterbrochen durch die Zerstörung des Gebäudes 1945 und den Wiederaufbau der bis 1958 dauerte.

Carl Ludwig Müller

Der Erfinder der Füllfeder für Blinde

Zur Herstellung der „Masseschrift“ (einer plastischen Masse mit deren Hilfe Wörter und Sätze aufgeschrieben werden konnten und für den Blinden abtastbar waren) erfand der Mechaniker Carl Ludwig Müller aus Wien-Döbling im Jahre 1806 einen Füllhalter. Zuerst war dieser Füllhalter nur für die Hand des sehenden Blindenlehrers gedacht. Die Schrift war eine Teigmasse, die wie durch eine Tortenspritze durch ein Glasrohr auf eine Unterlage aufgebracht wurde.

Das Schreiben mit Gänsekiel und Tinte wie um 1800 üblich bereitete den Blinden größte Schwierigkeiten. Um dies den Blinden zu erleichtern, kam C. L. Müller auf die Idee, für Blinde eine Füllfeder zu konstruieren.

Ein Glasröhrchen war an der Unterseite durch eine dünne Öffnung mit der Feder verbunden, die aus einem Gänsekiel angefertigt war. An der oberen Seite des Glasröhrchens befand sich ein kleiner Schraubverschluss. Öffnete man diesen, kam Luft in den Behälter, und die Tinte floss zur Feder. Schloss man den Schraubverschluss, floss die Tinte nicht ab, sondern blieb im Behälter.

Damit der Blinde in der Zeile gerade schreiben konnte, konstruierte C. L. Müller auch eine Schreibtafel, an der die Füllfeder befestigt wurde.

Die Erfindung des Mechanikers C. L. Müller wurde in der Folgezeit aber wieder vergessn. Erst um 1878 wurde die Füllfeder „neu erfunden“ und fabriksmäßig in Österreich-Ungarn erzeugt.

Louis Braille

1819 kam der zehnjährige Louis Braille, der als Dreijähriger erblindete, in das Pariser Blindeninstitut zur Ausbildung.

Büste von Louis Braille

Noch als Schüler erfuhr Louis Braille von den Bemühungen des Artilleriehauptmanns Charles Barbier, eine „Nachtschrift“ zu erfinden, die militärisch verwertbar, ohne Licht geschrieben und gelesen werden konnte.

Diese tastbare 12-Punkte-Schrift faszinierte Louis Braille. Er reduzierte sie auf 6 Punkte und legte erst sechzehnjährig 1825 sein Ergebnis vor.

Sechs Punkte, in zwei vertikalen Dreier-Kolonnen nebeneinander, ermöglichen 63 Kombinationen. Je nach Punktzahl und Anordnung kann Buchstabe, Ziffer und Satzzeichen dargestellt werden. Alle Wissensbereiche, von Physik, Chemie über Mathematik bis zur Musik, sind mit der 6 Punkteschrift möglich.

Anlässlich des Blindenlehrerkongresses 1873 in Wien setzte sich die Braillsche Sechs-Punkte-Schrift endgültig als Blindenschrift durch. Heute ist die Braille-Schrift aus der Schul- und Berufsausbildung des Blinden nicht mehr wegzudenken.